Aufruf zum beseelten Leben

Unser Anliegen

Eine einseitige Orientierung auf materielle Werte, auf die Lösung der großen Menschheitsprobleme durch Technologie und Digitalisierung und die biologische Dimension in Gesundheitswesen und Gesellschaft vernachlässigt die seelische und soziale Ebene unseres Menschseins. Im Jahr 2010 haben mehr als 20 leitende Ärzte psychosomatischer Kliniken in einem Aufruf zur psychosozialen Lage in Deutschland ihre tiefe Erschütterung über das Ausmaß seelischer Erkrankungen und psychosomatischer Probleme zum Ausdruck gebracht. Trotz einer beginnenden öffentlichen Diskussion, insbesondere über die Problematik zunehmender Burnout-Prozesse und seelischer Überforderungen in den gesellschaftlichen Entwicklungen, hat die massive psychosoziale Überlastung großer Teile der Bevölkerung weiterhin zugenommen. Daher haben im Jahr 2016 wiederum mehr als 20 leitende Ärzte psychosomatischer Kliniken in einem Aufruf zum Leben sowohl auf das weiterhin bestehende seelische Leiden als auch auf die Stärke und Lebendigkeit unserer Seele hingewiesen und zu mehr psychosozialer Kompetenz- und Resilienzentwicklung aufgefordert.

Die gegenwärtige Zeit hat uns erneut die Vernachlässigung des Geistig-seelischen und des Zwischenmenschlich-sozialen vor Augen geführt. Die meisten Bevölkerungsgruppen sind durch Infektionsgefahr begründete Ängste und durch langdauernden Stress, angesichts von Vorschriften und Einschränkungen, psychisch massiv belastet.

Die überragende Bedeutung der menschlichen Seele in dieser Zeit erfordert eine erneute Aufmerksamkeit. Um die Bedeutung des Erlebens, des Spürens, des Fühlens unserer Innenwelt und auch seiner Tiefe zu betonen, erscheint das Wort „Seele“ als das beste und geeignetste, denn es besitzt eine lange abendländische Tradition, sowohl in unseren Religionen als auch in unseren Philosophien, in unserer Kunst und in unserer Dichtung. Es ist eine Metapher, die für die meisten Menschen intuitiv eine innerlich berührende Bedeutung hat. Es geht in dem folgenden Aufruf nicht um die Frage von Begrifflichkeiten. Somit könnten auch „Psyche“, „psychosoziale Dimension“ oder Ähnliches mitgedacht werden. Angesichts der gesellschaftlichen Situation, der Diskreditierung von Personen oder Konzepten wegen einzelner nebensächlicher Aussagen oder Begrifflichkeiten, möchten wir auch zum Ausdruck bringen, dass es uns nicht um jedes Detail, jede Frage oder jede Aussage geht, sondern um ein „beseeltes Leben“.

Unser Aufruf ist keine Anklage, sondern ein Ausdruck unserer tiefen Erschütterung über die globalen gesellschaftlichen Entwicklungen und der Hoffnung, dass die Würdigung unserer Seele beitragen kann zu einem menschlicheren und lebendigeren Leben.